Rockharz Interview mit THE GEMS: „Lernen durch Rückschläge“
Das weibliche Quartett Thundermother befand sich erfolgstechnisch gerade auf der Überholspur, tourten unter anderem mit Scorpions und Whitesnake, veröffentlichten zudem mit „Heat Wave“ (2020) und „Black and Gold“ (2022) zwei sehr erfolgreiche Alben (beide jeweils Nummer sechs der deutschen Albumcharts). Aber dass Erfolg nicht immer zusammenschweißt, beweist das Beispiel Thundermother mehr als prächtig, denn kurz danach, im Frühjahr 2023, entließ Bandgründerin Nässil nach einem Streit die Sängerin Guernica Mancini. Nur kurze Zeit später verließen auch Mona Lindgren (Bass) und Emlee Johansson (Drums) die Formation, um dann in dieser Dreier-Konstellation die Band The Gems zu gründen. Im Januar 2024 erblickte mit „Phoenix“ das Debüt-Album das Licht der Welt, welches intensiv betourt wurde. Im Sommer 2025 machen die Damen die Festivals in Europa unsicher, allerdings muss aktuell Bassistin Mona auf der Bühne vertreten werden, der Grund ist ein schöner, sie erwartet im August Nachwuchs. Mit den anderen beiden Damen konnten wir uns nach dem Gig auf dem Rockharz-Festival über einige Themen bei bestem Wetter unterhalten…

Hallo, die Damen und danke, dass ihr euch ganz kurz Zeit für das Hardline nehmt. Dass die Zeit aktuell rast, merkt man an dem Fakt, dass es The Gems jetzt schon über zwei Jahre gibt, der große Krach mit Filippa Nässil ist schon nun schon fast 30 Monate her. Ihr habt mit „Phoenix“ ein großartiges Debütalbum veröffentlicht, werdet auf Festivals gebucht und konntet viele Fans, auch von eurer ehemaligen Band Thundermother, hinter euch bringen. Ist es das klassische Beispiel dafür, dass man aus Niederlagen erstarkt zurückkommt?
Guernica & Emlee: Hi Alex, das ist exakt, wie du es sagst. Man lernt aus diesen Rückschlägen eine ganze Menge, dieses ist allerdings auch typenabhängig. Entweder man geht da irgendwann gestärkt aus der Situation hervor, oder man geht komplett unter. Wir gehören zur ersten Fraktion, machen das Business gerade komplett allein, sind in jeder Aktion in und um die Band involviert und kümmern uns höchstpersönlich um all die Dinge, die gerade anstehen. Dieses wollen wir so lange machen, bis wir erfolgreich unseren Weg nach oben bestritten haben, erst dann werden wir uns zusammensetzen und die Dinge neu besprechen und eventuelle Änderungen vornehmen.
Mit euch erreichte das Thundermother Album „Black and Gold“ Platz sechs in den deutschen Album-Charts, ohne euch langte es für „Dirty & Devine nur noch für Platz 15. Verfolgt ihr noch den Weg eurer ehemaligen Band?
Guernica & Emlee: Um ehrlich zu sein, verfolgen wir dieses nicht aktiv, sind aber immer noch stolz, was wir damals an großartigen Songs kreiert haben. Aber was man als Künstler nie vergessen sollte, die Fans lieben häufig die Marke, nicht die einzelnen Künstler. Ich meine damit, dass die Fans die Band Thundermother mögen, da ist es oft zweitrangig, wer am Ende die Instrumente bedient. Und exakt dieses haben wir aus der Vergangenheit gelernt und gehen daher sehr umsichtig mit unserer Marke The Gems um.

Das mit der Marke kann aber auch ein Generationen-Ding sein. Ich bin Kind er achtziger Jahre und kannte jedes einzelne Bandmitglied meiner damaligen Lieblingsbands, die da Duran Duran, Simple Minds, U2, Bon Jovi oder die Scorpions hießen. Und als sich zum Beispiel Duran Duran Mitte der achtziger Jahre für eine lange Zeit von den Gründungsmitgliedern trennten und andere Musiker dabeihatten, war es für mich definitiv nicht mehr dasselbe.
Guernica : Und exakt dieses ist auch unsere Denkweise und deswegen hoffen wir, dass es mehr solcher Fans, so wie du einer bist, gibt. Fans, die sich mit den Mitgliedern der Band und nicht nur mit dem Namen identifizieren. Und wir wollen definitiv nicht jedes neue Jahr ein neues Bandmitglied präsentieren, sondern stabil bleiben.
Euer Debütalbum stammt wie eben erwähnt aus Anfang 2024. Gerade als „neue“ Band ist es nicht unwichtig, rasch neues Material folgen zu lassen, wie stehe die Chancen, dass noch in diesem Jahr ein neues Werk von euch das Licht der Welt erblickt, sind neue Songs schon fertig?
Emlee: Wir sind gerade in den letzten Zügen der Produktion, nehmen gerade die letzten Songs auf und werden wohl Anfang nächsten Jahres das Album veröffentlichen. Es wird also bald Nachschub an neuen Songs geben (lacht)
Ganz kurz, wie entsteht im Hause The Gems ein Song, zuerst Musik, dann die Lyrics? Wer schreibt, wer ist für das Musikalische zuständig? Oder ist dieses sowohl als auch Gruppenarbeit?
Guernica: Mona und Emlee sind absolute Multi-Instrumentalistinnen, die beiden kommen meist mit tollen Melodie-Ideen, ich bin ein wenig mehr bei den Texten zu Hause. Aber am Ende des Tages ist das Kreieren eines Songs bei uns eine Team-Arbeit!

Im Jahr 2024 habt ihr noch zwei Thundermother-Nummern in eurer Setlist gehabt, auch, weil ihr bei diesen Songs wie ihr in einem Interview sagtet „intensiv am Schreibprozess beteiligt wart. Dieses ist bei der aktuellen Setlist nicht mehr der Fall, ihr präsentiert euer Debütalbum in Gänze. Wie kam es zu diesem Schritt und wer legt am Ende bei euch die Setlist und die Abfolge der Songs fest?
Guernica & Emlee: Die Setlist legen wir gemeinsam fest, diese ist abhängig davon, wie lange der jeweilige Gig dauert. Bei Festivals sind wir größtenteils zwischen 45 und 60 Minuten auf der Bühne, da präsentieren wir unsere eigenen Songs, spielen wir Club-Shows, haben wir mehr Zeit und nehmen auch Thundermother-Songs mit in die Setlist, allerdings nur die, die wir auch geschrieben haben. Die Thundermother-Songs werden also nicht ausgeklammert, sondern weiterhin gespielt, wenn es die Zeit zulässt, denn auch sie sind unsere Babys!
Auch wenn alle das Wort Emanzipation kennen, gibt es gerade im Rock und Metalgenre nicht wirklich viele weibliche Bands. Spontan fallen mir Vixen aus den achtziger Jahren ein, Thundermother, die Metal-Queen Doro Pesh und The Gems. Ist es nach wie vor hart, in diesem musikalischen Genre als Frauen-Band akzeptiert zu werden, muss man als weibliche Band eventuell eine Extra-Meile für den Erfolg gehen? Oder habt ihr in den vergangenen Jahren nicht mit derlei Vorurteilen zu kämpfen gehabt?
Guernica & Emlee: Wir denken, am Ende ist das alles eine Frage der Qualität, eine Frage der Leidenschaft und am Ende eine Frage des Respekts. Ich denke, wenn die Fans sehen, dass man sich den Hintern aufreißt für das, was man liebt, seine Instrumente beherrscht und eine gute Show bietet, dann ist es am Ende egal, ob man männlich, weiblich oder divers ist. So sehen wir es, so sehen es viele Fans, aber – und da liegst du mit deiner Frage nicht ganz so daneben – eben nicht alle. Dieses spüren wir eher selten, aber um ehrlich zu sein, ist es uns tatsächlich egal, wir ziehen unser Ding durch – mit Qualität und Leidenschaft!

Letzte Frage, ihr spielt sowohl in den kleinen Clubs als auch bei größeren Festivals. Welche Location gefällt euch besser, der warme, teils schweißtreibende kleine Klub oder eher die große Bühne der Festivals, wo aber der Kontakt zu den Fans nicht ganz so nah ist?
Emlee: Wir leben tatsächlich für diese Festivals, wir lieben die große Menge an Menschen, wir lieben den Kontakt zu den anderen Bands. Die Club-Touren haben auch ihren ganz besonderen Charme, man spürt zum Beispiel die Energie von den Fans viel intensiver, als wenn man mit mehr Distanz zu den Fans bei den Open Airs spielt. Allerdings ist man bei den Club-Touren in der Regel nur mit seiner Crew und eventuell einer anderen Band in Kontakt, hat wie gesagt Charme, ist aber so ganz anders als bei den großen Festivals wie hier beim Rockharz.
Guernica: Wir sind bemüht, richtig gute und große Songs zu schreiben und hoffen, irgendwann mal den Arena-Level einzuatmen. Und genau dieses Arena-Feeling hatte ich vorhin bei unserem Auftritt vor dieser wirklich großen Menge an Menschen, es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht und macht tatsächlich süchtig (lacht).
Ich stand zwar noch nie auf einer solchen Bühne, kann es mir allerdings gut vorstellen, was dann in einem vorgeht. Das war es in aller Kürze, danke noch einmal, dass ihr euch Zeit genommen habt, viel Spaß noch bei den weiteren Auftritten, vor allem aber, bleibt gesund!

Text & Fotos: Alexander Stock