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Das große Nino de Angelo Interview: Einmal Hölle und zurück …..

Er ist ein deutscher Sänger italienischer Abstammung, hatte gleich zu Anfang seiner Karriere einen absoluten Superhit, polarisierte in den letzten dreißig Jahren wie kaum ein anderer Interpret und brachte Anfang 2021 sowohl seine Biografie als auch ein neues Album heraus: Nino de Angelo.

Und gerade „Gesegnet & Verflucht“ veranlasste uns vom Hardline Magazin, uns mit diesem – aktuell in den Dark-Rock eintauchenden – Künstler, über sein Leben und die musikalischen Wandlungen zu unterhalten …

HL: Hallo Nino, zuerst einmal danke, dass du dir für unsere Leser Zeit genommen hast und Glückwunsch zu diesem großartigen neuen Album. Bevor wir zur Musik kommen, eine kurze Reise in deine Vergangenheit. Du bist als Domenico Gerhard Gorgoglione auf die Welt gekommen, bekannt bist du unter dem Künstlernamen Nino de Angelo. Wessen Idee war dieser Künstlername und warum gibt es diesen überhaupt?

„…ich haute einfach ab, raus aus dem Käfig“

Nino de Angelo: Hallo Alex, zuerst einmal Danke, dass ihr euch für mich Zeit genommen habt. Das mit dem Künstlernamen hatte den Grund, weil meinen Nachnamen ja im Prinzip kaum jemand so richtig aussprechen kann. Ich habe im zarten Alter von 15 Jahren in Hamburg bei der deutschen Grammophon, sprich Polydor, im Beisein meiner Mutter meinen ersten Plattenvertrag unterschrieben. Für die ersten Singles bekam ich einen Hausproduzenten, den es bei den Labels damals noch gab, an die Seite gestellt, den Michael Kramer, mit dem ich wirklich gut ausgekommen bin. Nach einiger Zeit ging mir das Ganze aber ziemlich gegen den Strich und ich haute einfach ab, raus aus dem Käfig. In einer Kölner Piano-Bar lernte ich den Texter von Howard Carpendale kennen und schätzen. Ich bin dann nach einiger Zeit wieder zurück zur Plattenfirma und meinte, dass da noch etwas geändert werden muss, unter anderem mein Künstlername, denn bei den beiden ersten Singles hieß ich nur Nino. Nach einigen Gesprächen und der Erkenntnis, dass Nino dann doch zu kurz war, sind wir dann auf den Zusatz Angelo gekommen, am Ende wurde aus Nino Angelo dann final Nino de Angelo. Und mit diesem Namen, einem neuen Produzenten, denn die Zusammenarbeit mit Michael Kramer endete mit meiner Flucht, ging die erste Single – die deutsche Version vom OMD-Song „Souvenir“ – mit über 50.000 verkauften Einheiten gleich durch die Decke. Der Rest ist dann Historie … im Prinzip war meine Flucht aus dem Haus-studio des Labels der Startschuss.

pic-credits: © Franz Schepers

HL: Dann wie schon erwähnt, 1983 der Überhit „Jenseits Von Eden“, gerade wenn ich mir deine Vita vor Augen führe, Fluch und Segen zugleich. Wie ist bzw. war der Song für dich, mehr Fluch als Segen?

NdA: In jungen Jahren war es definitiv ein Fluch! Solange der Song lief, war alles gut, aber versuch mal, nur ansatzweise wieder in die Nähe von so einem Erfolg zu kommen, keine Chance! Danach ging es dann immer so weiter, es war im Prinzip der permanente Versuch, „Jenseits Von Eden“ zu toppen, was aber nie gelang. Und nach der auch eher erfolglosen Zusammenarbeit mit Dieter Bohlen wollte ich im Prinzip das Handtuch schmeißen, hatte zwar gute Songs geschrieben und tolle Bands gehabt, aber ohne einen Top-Song nützt einem das beste Drumherum nichts.

HL: Da stimme ich dir zu! Laut deiner Biografie „Gesegnet und Verflucht“ führte dich Drafi Deutscher 1983 zu den Drogen, von denen du lange Zeit nicht mehr losgekommen bist, weder vom Koks, noch vom Alkohol. Auf deinem neuen Album gibt es ja zu diesem Thema auch die passende Textzeile „Du suchst nach der passenden Medizin und landest bei Whiskey und Kokain“. Hat sich dieses mit deiner neuen Beziehung und dem ländlichen Leben geändert, hast du die Sucht im Griff, bist du clean? In deinem Buch nimmst du – zumindest was ich lesen konnte – kein Blatt vor den Mund …

„…nur, wenn du lange in der Hölle gewesen bist, kannst du auch darüber schreiben…“

NdA: Ich habe definitiv einiges auf den Tisch gelegt. Vor 15 Jahren war schon einmal ein Verlag auf mich zugekommen mit der Bitte, doch mal eine Biografie zu schreiben. Der Zeitpunkt war definitiv unpassend, also haben wir es verworfen. Vor 10 Jahren erfolgte der nächste Versuch, dieses Mal von dem Verlag, bei dem ich das Buch nun letztlich herausgebracht habe. Nur war auch damals noch nicht der richtige Zeitpunkt. Nun aber – ich bin mittlerweile 57 Jahre alt – bin ich an – und zur Ruhe gekommen, habe definitiv genug erlebt, um es niederzuschreiben. Denn nur, wenn du lange in der Hölle gewesen bist, kannst du auch darüber schreiben. Hätte ich geahnt, dass das neue Musik-Album so erfolgreich wird, ich hätte es mir noch einmal überlegt, komplett die Hosen runterzulassen (lach). Die Sucht habe ich im Griff, sie besitzt mich nicht mehr. Ich kenne dieses hackende Geräusch, aber selbst, wenn ich es auf einer Toilette höre, macht es mich nicht mehr schwach! Klar helfen mir Medikamente, die Löcher, die ich durchlebte, halt nicht mit Drogen zu füllen. Aber auch meine Kinder haben mich in diesen Phasen immer vor dem schlimmsten bewahrt.

pic-credits: © Franz Schepers

HL: Kurze Frage zum Buch, wie schwer war es für dich, eine Reise in die eigene Vergangenheit zu unternehmen?

NdA: Einfach war es definitiv nicht dieses Buch zu schreiben, insgesamt hat es drei Monate gedauert und war wirklich eine intensive Reise in meine eigene Vergangenheit. In jedem Fall ist es -wie eben schon beschrieben – inhaltlich sehr ehrlich, in einigen Phasen aber auch lustig geworden. Aber meine Biografie soll nicht nur unterhalten, sondern auch Menschen Mut machen, dass es immer weitergehen kann.

HL: Ein gutes Vorhaben! Kommen wir jetzt zum neuen Album „Gesegnet und Verflucht“, welches so komplett anders ist, als alles, was du bislang abgeliefert hast, mit einem Sound, der für mich wie die Faust aufs Auge zu deiner Stimme passt. Ich würde es zusammenfassen mit den Worten „die geniale Weiterführung von Unheilig“. Wessen Idee war dieser Stilwechsel und wie bist du mit dem Produzenten Chris Harms in Kontakt getreten, der ja eher im Rock/Metalbereich tätig ist und Bands wie Mono Inc., MajorVoice oder Nachtblut produzierte.

NdA: Da kann man – so komisch es auch klingt – sagen: Schuld war auch hier der Song „Jenseits Von Eden“. Es war eine Fügung des Schicksals, wie nur das Leben es hergeben kann. Ich habe zwischen 2013 und 2016 in Hamburg in den Mundsburg Towers gewohnt. Einer meiner damaligen Nachbarn war Eric Burton, welcher seit Jahren mit Joachim Witt zusammenarbeitet und zudem ein Freund von Chris Harms ist. Nun hatte ich vor einigen Jahren das Album „Meisterwerke“ gemacht, wo ich den „Goldenen Reiter“ gecovert habe. Diese Version gefiel dem Joachim Witt wohl, in jedem Fall ließ er mir dieses durch Eric zukommen. Einige Jahre später, so Mitte 2019, sah ich einen Facebook-Post der Chameleon Studios und Chris Harms, bei dem ich ein Foto von mir mit einer goldenen Schallplatte gesehen habe. Und nun kommen wir zu meinem einleitenden Satz zu deiner Frage: Ich habe „Jenseits Von Eden“ exakt dort im Studio, im Alten Teichweg in Hamburg, aufgenommen und aus exakt dieser Zeit stammte dieses Foto. Doch zurück zum Post vom Chris: Auf diesen Post habe ich geantwortet, worauf gleich am nächsten Tag ein Anruf vom Eric folgte. Er saß mit Chris in Hamburg zusammen, die beiden haben über mich gesprochen und fragten mich nun, was ich denn gerade so mache. Kurz gefasst bin ich dann kurze Zeit später mit einigen Songs im Gepäck – unter anderem „Gesegnet und Verflucht“ – zu den beiden nach Hamburg gefahren. Chris fand die Songs schon richtig gut, hat sich diese dann vorgeknöpft, leicht verändert und mir nach zirka zwei Wochen zurückgesandt. Beim ersten Hören klappte mir wirklich der Mund nach unten, konnte es kaum fassen, was Chris aus diesen Songs rausholte. Dieses Ergebnis hat mir dann soviel Energie gegeben, dass wir beide beschlossen, ein ganzes Album zu kreieren. Also stürzte ich mich in die Arbeit, schickte die Fassungen zu Chris, welcher dann die Songs in die richtige Richtung schob. Es ist wirklich unglaublich, was für eine Chemie zwischen Chris Harms und mir herrscht, es funktioniert wirklich tadellos!

pic-credits: © Franz Schepers

HL: Einige Kollegen schrieben, dass Nino de Angelo das Erbe von Unheilig angenommen habe …

NdA: So ganz Unrecht haben die Kollegen da tatsächlich nicht. Die Lücke von Unheilig ist definitiv frei, der Song „Geboren Um Zu Leben“ von vor zehn Jahren wäre auch absolut mein Ding gewesen. Mir gefällt halt dieser mystische, etwas dunkle Bombast Sound, ich bin zum Beispiel absoluter Fan von Vangelis.

HL: Neben dem Titeltrack ist mir besonders „Denn Wir Wissen Nicht Was Wir Tun“ aufgefallen, der mich zu einem wirklich großen Teil an den Song „Run“ von der Gruppe Snow Patrol erinnert …

NdA: Naja, besser gut geklaut als schlecht komponiert (lach)! Ich finde die Nummer seit Jahren richtig klasse, die Kraft des Songs hat mich extrem inspiriert und ich habe mich anstrengen müssen, um nicht ein Plagiat zu machen. Ich selbst finde auch „Romeo & Juliet“ klasse, welcher uns alle ein wenig an die Finnen von HIM erinnern, obwohl mich beim Schreiben des Songs eher Bruce Springsteen angespornt hatte, auch ein Künstler, den ich sehr verehre.

HL: Du bist mit dem neuen Album gleich auf Position 2 der deutschen Album-Charts eingestiegen, für mich ein Zeichen, dass sowohl die Pop-, in jedem Fall aber auch die Rockfans ein sehr loyales Volk sind und mit dem Kaufen der Alben die Künstler & Bands unterstützen. Wie hast du die Reaktionen deines Stilwechsels/Imagewechsels mitbekommen? Liest du dir die Presse überhaupt noch durch?

NdA. Die sind tatsächlich brutal gut, und das Schöne ist, dass das Album auch mehr als eine Woche erfolgreich ist. Hier bin ich in jedem Fall sehr sehr dankbar und freue mich wirklich total über diese Loyalität. Die Reaktionen waren zu einem sehr großen Teil positiv, Presse-Texte über mich lese ich mir allerdings weniger durch, ich weiß, was ich gesagt und getan habe, deshalb muss ich mir das im Nachhinein nicht alles noch einmal durchlesen.

HL: Aktuell ist die Phase des Stillstandes, hattest du mal die Idee, den Release in den Herbst zu verschieben, um das Album eventuell an eine Tour zu koppeln?

NdA: Die Überlegung gab es tatsächlich, ich selber war aber zu ungeduldig, weil ich glaube, dass uns diese Pandemie noch etwas länger begleiten wird. Von daher empfand ich den Zeitpunkt des Release für richtig, auch wenn ich das Album nun nicht mit einer Tour begleiten kann.

pic-credits: © Franz Schepers

HL: Nach diesem aus meiner Sicht großartigen Erfolg, sind weitere Alben in dieser Stilrichtung geplant?

NdA: Es sind schon neue Songs in Arbeit, habe mich da mit Chris schon ausgetauscht. Diese werden allerdings nicht auf ein komplett neues Album kommen, sondern auf eine erweiterte Version, welche im Herbst das Licht der Welt erblicken soll. Und dann ist eine eventuelle Tour auch nicht mehr sooo zeitversetzt vom Album wie es jetzt der Fall ist.

HL: Letztes Thema: Nach 2 x Krebs und drei Bypässen nun auch noch COPD, die chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Inwieweit engt dich das ein, ist es sogar möglich, dass du gar nicht mehr live zu sehen sein wirst?

„… wenn ich auf der Bühne bin vergesse ich so einiges …“

NdA: Das wird schon gehen, die Stimme von mir ist definitiv noch da, das Einzige, was ein wenig fehlt, ist die Luft. Ich kann also nicht bei 3- bis 4 Songs hintereinander Gas geben, muss da Pausen zwischen die Songs bringen. Ob man das nun mit einem längeren Intro oder aber mit Anekdoten aus meinem Leben macht, muss man sehen und variiert dann von Show zu Show. Aber wenn ich auf der Bühne bin, vergesse ich so einiges, selbst COPD (lach). Also so schnell bekommt man mich nicht kaputt, da kann ich einige beruhigen … und ich freue mich tatsächlich auf den Moment, wenn ich da endlich wieder auf der Bühne stehe und performen kann!

HL: Dafür drücken wir beide Daumen, wünschen dir weiterhin für das Album größtmöglichen Erfolg und vor allem viel Gesundheit!