Live

POWERWOLF & Dragonforce begeistern in Rostock

POWERWOLF + Dragonforce

Stadthalle, Rostock

Es gibt Bands, für die lohnt sich immer eine Reise. Entweder, weil sie selten bis gar nicht in deiner Stadt spielen, oder weil man das Konzert in seiner Stadt verpasst hatte oder, weil es sich grundsätzlich immer lohnt, sich ein Konzert dieser Band anzuschauen. So haben wir in diesem Jahr für Powerwolf uns auf den Weg nach Rostock gemach, um uns dort die „Summer Of The Wicked“-Tour anzuschauen. Schon vor der Stadthalle zitterte der Asphalt unter den ersten Gitarrensalven – Dragonforce waren bereits am Werk. Keine Vorwarnung, keine Vorband, einfach mitten rein ins Feuer. Die Bühnenaufbauten – ein wahres Fest für Nerds: Vor mir: zwei Arcade-Konsolen wie Relikte aus einer 80er-Spielhalle, das Dragonforce-Logo leuchtete wie ein Hologramm in die Menge. Herman Li stand da, als wäre er halb Mensch, halb Prozessor, seine Finger jagten in Lichtgeschwindigkeit über das Griffbrett. Jeder Ton ein Laserstrahl, der durch den Nebel schnitt.

Attila Dorn

Die Monitore der Konsolen blinkten, und immer wieder kletterte ein Gitarrist oder die Bassistin hinauf, um von oben in die Menge zu feuern. Also eines muss man der Band lassen: Posen können sie. Es folgte mit „Power Of The Triforce“ ein Track vom aktuellen Album „Warp Speed Warriors“ – und Speed ist bei Dragonforce wirklich das Stichwort. Wenn man Gitarrist Herman Li beobachtet, dann fragt man sich, ob das wirklich ein Mensch ist, oder ein Android. Ich meine, Li ist ja bekannt für seine blitzschnellen Riffs und Soli, aber wenn man die dann live sieht… wow. Als „Through The Fire And The Flames“ nach gut fünfzig Minuten das Set abschloss, war der Puls in der Halle bereits im roten Bereich. Und dann, um 20:30 Uhr fiel er, der Vorhang und mit einem Donnerschlag startete „Bless ’Em With The Blade“. Flackernde Flammenwerfer tauchten die Menge in blutrotes Licht, der Sound vibrierte bis in die Brustknochen. “Incense & Iron”, “Army Of The Night” – die Halle tobte wie ein wilder Ozean. 4.000 Kehlen schrien, als wären es doppelt so viele. Schweiß tropfte, Bierbecher flogen, und von der Bühne kam nur pure Energie zurück. Nach dem obligatorischen „Army Of The Night“ folgte mit „Sinners Of The Seven Seas“ ein weiteres Oeuvre des aktuellen Albums. Allerdings hätte ich mir hier eher den kongenialen „Joan Of Arc“ gewünscht. Aber, das ist Jammern auf hohem Niveau.

Falk Maria Schlegel / Attila Dorn

Natürlich durften die Spielereien zwischen Sänger Attila Dorn und Keyboarder Falk Maria Schlegel nicht fehlen. Ob es jetzt Tanzeinlagen auf der Bühne waren oder der ‚Battle‘ welche Fan-Seite lauter ist – ohne diese Einlagen funktioniert keine Powerwolf-Show. Nach dem neuen Song ging es weiter im umfangreichen Backkatalog mit „Amen & Attack“, „Dancing With The Dead“ und „Armata Strigoi“. Dann der düstere Höhepunkt: Die Bühne verwandelte sich in einen mittelalterlichen Richtplatz. Ein Scheiterhaufen, ein gefesselter Falk Maria Schlegel – Attila Dorn verkündete mit sonorer Stimme die Geschichte des „Werwolfs“ Peter Stump, verurteilt und verbrannt im Jahr 1589. Während „1589“ krachte, loderten Flammen, Nebel umhüllte die Szene, und das Publikum brüllte, als könnte es die Hinrichtung verhindern. Also, große Inszenierung können die Wölfe! Nach Falks Hinrichtung stand er allerdings kurz darauf wieder quicklebendig neben Attila (ein Wunder!), nur um mit Attila ein Sing-Along für den folgenden „Demons Are The Girls Best Friend“ anzustimmen. Die ganze Halle sang, Arme in der Luft, ein einziger Hexensabbat aus Stimmen.

Die Wölfe mischten gnadenlos Altes und Neues: „Stossgebet“, „Fire and Forgive“, die Gänsehaut-Ballade „Alive Or Undead“. Bei „Blood For Blood (Faoladh)“ sah alles nach einem Finale aus – doch Rostock war noch lange nicht fertig. Kaum verhallte der letzte Akkord, brach ein vielstimmiges „Zugabe! Zugabe!“-Rufen los, laut und hartnäckig wie Brandung gegen die Küste. Hände trommelten auf Absperrgitter, Becher klatschten im Takt, und schnell war klar: Diese Fans würden ihre Wölfe nicht so einfach in die Nacht entlassen. Nur Momente später kamen Attila und seine Mannen grinsend zurück auf die Bühne – als hätten sie genau darauf gewartet – und feuerten mit ‚Sanctified With Dynamite‘, ‚We Drink Your Blood‘ und „Werewolves Of Armenia“ noch einmal alles in die Menge, was an Pyro, Power und Predigten übrig war. Als die Lichter wieder angingen, standen überall schwitzende, glückliche Gesichter, manche mit heiserer Stimme, andere mit vollem Merchandise-Beutel.

22 Uhr. Draußen wehte die Ostseeluft kühl, aber bei allen Anhängern glühte noch der Sound der Wölfe. Rostock hatte gebrüllt – und Powerwolf hatte geantwortet.

Text & Fotos: Pat St.James