Interviews

EVERGREY im Interview – Es geht langsam, aber stetig aufwärts!

Evergrey sind seit 1998 in der Metal-Szene aktiv und haben seitdem viele Tourneen als Special Guest von bekannten Bands absolviert, zuletzt auch einige Headliner-Touren. Ihre Album-Veröffentlichungen sind alle hervorragend, aber bisher sind Evergrey eine Band für den anspruchsvollen Insider, denn sie spielen noch nicht in den großen Hallen. Nachdem wir uns vor einigen Monaten bereits mit Mastermind Tom S. Englund unterhalten konnten, packten wir die Möglichkeit am Schopfe, uns auch mit Johan Niemann (Bass) und Henrik Danhage (Gitarrist) über das aktuelle Album und zudem über den Verlauf der Tour zu erkundigen. Das Interview fand in Hamburg vor ihrem grandiosen Konzert in der Lokation Bahnhof Pauli statt.

Hardline: Ihr seid nun seit zwei Wochen auf Tournee und spielt jetzt in Deutschland. Wie läuft die Tour bisher?

Henrik Danhage: Die Tour läuft fantastisch, wir haben viel Spaß, es kommen viele Leute und wir selbst sind ebenfalls sehr gut drauf.

Johan Niemann: Es hat unsere Erwartungen übertroffen, denn wir wussten nicht, wie die Tour nach zwei Jahren Pause laufen wird.

Hardline: Sind die Fan-Reaktionen intensiver als auf vorherigen Tourneen?

Henrik Danhage: Ich würde eher sagen, dass die Fans dankbarer wirken, und wir empfinden auch eine große Dankbarkeit, wieder auf Tour zu sein.

Johan Niemann: Ja, wir sind auch dankbar, dass die Fans nach so langer Zeit zu unseren Shows kommen und uns noch sehen wollen.

Hardline: Wie ist es mit der Entwicklung der Zuschauerzahlen? Kommen jetzt mehr Fans zu euren Konzerten?

Henrik Danhage: Es kommen mehr Fans zu unseren Konzerten als zuvor, viele langjährige Fans bringen Freunde mit zu unseren Gigs, das ist der beste Weg, um bekannter zu werden. Es geht langsam, aber stetig aufwärts mit den Zuschauerzahlen.

„Escape Of The Phoenix“

Hardline: Wie sind die Reaktionen auf die Songsder beiden neuesten Alben „Escape Of The Phoenix“ und insbesondere „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“?

Johan Niemann: Ja, das neue Album kommt sehr gut bei den Fans an, wir bekommen live gute Reaktionen und sie kennen die neuen Songs bereits fast so, als wären sie Klassiker.

Hardline: Ihr habt „Escape Of The Phoenix“ Anfang 2021 veröffentlicht, es war aber bekanntlich nicht möglich zu touren. Ist der Songwriting-Prozess für „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“ aufgrund der fehlenden Kompositionspause deshalb leichter gewesen?

Henrik Danhage: Nein, es war nicht leichter, denn es waren die gleichen Herausforderungen, denen wir uns sonst auch zu stellen hatten, es ist für uns aber auch generell nicht schwer, ein Album aufzunehmen.

Johan Niemann: Ich stimme dem zu, es war kein Unterschied zu unserem gewohnten Arbeits- und Songwriting-Prozess.

„A Heartless Portrait (the Orphean Testament)“

Hardline: Wie hat sich der Songwriting-Prozess für „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“ genau gestaltet? Konnten alle Musiker ihre Ideen einbringen oder waren es hauptsächlich Tom Englund (Sänger, Gitarrist – Anm.) und Jonas Ekdahl (Drummer – Anm.), die die Songs komponiert haben?

Henrik Danhage: Für das neue Album sind Tom und Jonas hauptsächlich für das Songwriting zuständig gewesen, was aber nicht heißt, dass es so bleiben wird, vielleicht wird es auf dem nächsten Album anders sein. Wir beide hatten auch Material komponiert, das heavier war als der Rest der Songs, es hat dieses Mal nicht zum Konzept des Albums gepasst.

Hardline: Das neue Album klingt wieder bombastisch, wie fast jedes Evergrey-Album. Ich bin der Meinung, dass auf dem Album aber auch Industrial-Elemente zu hören sind. Stimmt der Eindruck?

Henrik Danhage: Jonas ist ein großer Fan von Nine Inch Nails und ähnlichen Bands, sodass es schon sein kann, dass es einige Industrial-Vibes oder Sounds in die Songs geschafft haben.

„Alle Arrangements sind sehr natürlich entstanden, wir laufen keinen Trends hinterher.“

Johan Niemann: Wir versuchen aber nicht irgendetwas in die Musik zu bringen, was dort nicht hineinpasst, alle Arrangements sind sehr natürlich entstanden, wir laufen keinen Trends hinterher.

Hardline: Woher kommt die schöne Melancholie in eurer Musik? Wo liegt der Ursprung?

Johan Niemann: Wir wissen es nicht genau, vermutlich liegt es an unserer skandinavischen Herkunft. Es gibt ja viele Bands aus Skandinavien, die ähnlich melancholisch klingen. 

Hardline: Der Song „Midwinter Calls“ gefällt mir besonders gut, wie ist der Track entstanden?

Henrik Danhage: Wir haben den Track live im Studio eingespielt und die Fans konnten uns einige Soundfiles mit ihren Stimmen übermitteln. Dadurch hat das Stück eine besondere Note, auch die Fans hatten ihren Spaß dabei.

Hardline: Der letzte Titel auf dem Album ist Wildfires“, er hebt sich von den anderen Stücken durch seine Ruhe ab, er erinnert mich ein wenig an Toms Nebenprojekt Silent Skies. Was steht hinter „Wildfires“?

Henrik Danhage: Evergrey hat es lange bevor Silent Skies gegeben. „Wildfires“ ist ein geeigneter ruhiger Song, um das Album ausklingen zu lassen, er hätte nicht so gut an anderer Stelle gepasst.

Johan Niemann: Dieses Material mit akustischen Elementen hatten wir aber schon bei einigen anderen Alben eingebunden, es ist also auch nichts ganz Neues für uns gewesen.

Hardline: Wie kommt ihr eigentlich zu dem schönen und anspruchsvollen Covern eurer Alben?

Johan Niemann: Wir haben zumeist schon den Album-Titel vorliegen und dazu ein paar grundlegende Vorstellungen, unser Cover-Gestalter Giannis Nakos erledigt dann den Rest.

Hardline: Ihr habt nun mit Napalm Records eine neue Plattenfirma. Wie ist es zu dem Wechsel gekommen?

Veränderungen sind meistens sinnvoll

Henrik Danhage: Es ist immer gut sich nach vorne zu bewegen, Veränderungen sind meistens sinnvoll.

Johan Niemann: Die Zusammenarbeit mit AFM hat lange gedauert, es war aber an der Zeit, etwas Neues zu probieren. Napalm Records war sehr an uns interessiert, umgekehrt war es genauso.

Hardline: Gibt es euch auf dem Wacken-Festival im nächsten Jahr zu sehen?

Johan Niemann: Wir würden gerne auf dem Wacken-Festival spielen, aber momentan haben wir noch keine Festivals für das nächste Jahr gebucht. Wir sollten 2019 dort spielen und mussten wegen des Orkans leider abreisen. Wir waren kurz vor unserem Auftritt und das Intro lief bereits, es sollte dann aber doch nicht sein.

Johan Niemann und Henrik Danhage

Hardline: Geht es nächstes Jahr auch nach Nordamerika?

Johan Niemann: Ja, sicher! Wir arbeiten daran, aber wir haben noch keine definitive Bestätigung dafür vorliegen.

Hardline: Ihr beide hattet doch vor ein paar Jahren Nebenprojekte. Wie ist dort der Stand der Dinge?

Henrik Danhage: Ich habe momentan zwar kein Nebenprojekt, aber ich arbeite an einem Solo-Album, dort kann ich frei meine musikalischen Ideen umsetzen.

Johan Niemann: Ich arbeite mit der Band Hollingshead an einem zweiten Album, es kommt wahrscheinlich nächstes Jahr heraus.

Hardline: Vielen Dank für das Interview, viel Erfolg mit der Tour, bleibt vor allem gesund!

Text: Jörg Reiche