Interviews

Phonomik: Diese ganzen Torturen haben uns schwer zugesetzt, die Band brach fast auseinander …

Text: Darleen Barth & Alexander Stock

Das Dänemark im Rock/Metalbereich mehr ist als nur die Volbeat ist, zeigen die im Jahre 2006 gegründete Gruppe Phonomik recht eindrucksvoll. Das aus Skærbæk stammende Quintett brachte im Jahre 2010 ihr Debüt-Album „Soul Creeper“ heraus, für das sie von vielen Rock/Metal-Magazinen gute bis sehr gute Kritiken bekommen hatten. Dann war – warum versuchen wir in diesem Interview zu klären – für ganze zehn Jahre Pause, bis die Mannen um Sänger und Gitarrist Shane B Dhiman jetzt, Ende Februar 2020, das neueste Werk, getauft auf den Namen „Brain Bleeder“, herausbringen. Und eben dieser Shane B Dhiman stand uns zum neuen Album, Vergangenheit und  Zukunft der Band und anderen Themen Rede und Antwort, lest, was er zu mitzuteilen hat …

Hardline: Hallo Shane, ganz lieben Dank, dass du dir einen Augenblick für unser Magazin Zeit genommen hast und zuerst einmal unseren Glückwunsch zum neuen Album „Brain Bleeder“. Euer letztes Album „Soul Creeper“ wurde vor 10 Jahren veröffentlicht, was habt ihr denn zwischen 2010 und 2020 so alles getrieben?

Shane: Hi Darleen, gerne geschehen, danke, dass ihr euch Zeit für uns nehmt und für die Glückwünsche zum Album, schön, dass es dir gefällt! In der Tat sind es zehn Jahre zwischen den Alben, unglaublich, zu deiner Frage: Wir haben bereits nach dem Release von „Soul Creeper“ für das jetzige Album geschrieben,  waren gerade gut dabei und verbrachten unsere Zeit mit Touren und dem Schreiben neuer Songs. Während der zweiten Hälfte der Tour wurden wir dann von dem amerikanischen Produzenten Namens Dito aus Los Angeles kontaktiert. Er hat schon mit „No Doubt, Motley Crue und Ace Freshley (KISS) zusammengearbeitet. Im Hintergrund hingen goldene Schallplatten an der Wand, als wir via Skype gesprochen haben und eine Zusammenarbeit schien aus unserer Sicht eine gute Idee. Er war ein guter Redner, leider stellte sich heraus, dass dieses dann auch das Einzige war er konnte. Wir ließen Ihn von den USA einfliegen und begannen mit der Arbeit, nahmen Gitarre und Bass in unserem neuen, eigenen Studio auf, das Schlagzeug wurde in den „Hansen Studios“ aufgenommen. So weit – so gut. Ab da begannen dann die Probleme, Dito empfahl uns, die Gesangspart bei ihm in Los Angeles zu mischen, herausgekommen war dann ein echt mieses Ergebnis. Nachdem wir dieses dann ein zweites Mal durchgezogen hatten, er war wieder nicht gut, der Sound war minderwertig und flach. Zudem ließen wir uns überreden, noch zwei Videos zu drehen, was uns an den Rand unseres Ruins trieb. Ich fasse also kurz zusammen: Wir haben viele Geld für Aufnahmen in den USA ausgegeben, die Reisekosten und Gebühren bezahlt, Videos gedreht, alles, um die Chance zu bekommen, mit großen Unternehmen, zu denen er angeblich guten Kontakt hatte, zu arbeiten. Herausgekommen war: Nichts, außer, dass sich einen riesen Haufen Schulden angehäuft hatte. Daraufhin versuchten wir, unser Album an lokale Firmen zu verkaufen, immer wieder wurde uns aber gesagt, dass die Musik gut sei, aber die Gesangsproduktion schlecht. Diese ganzen Torturen haben unsere Familien und Freunden schwer zugesetzt und die Band brach mit den Jahren immer mehr auseinander, gipfelnd mit dem Ausscheiden von unserem Schlagzeuger. Schließlich haben wir beschlossen, den Gesang neu aufzunehmen und gaben dem Ganzen eine letzte Chance. Wir legten auch fest, dass wir es danach einfach hochladen, damit wir damit fertig werden. Michael und ich haben so den Gesang neu aufgenommen – dieses Mal jedoch ohne Kompromisse. Als Band standen wir schon mehrmals kurz vor dem Zusammenbruch, aber wir wussten, dass unsere Songs eines Tages das Licht der Welt erblicken würden. Unser neuer Schlagzeuger Mickey und unser zusätzlicher Gitarrist Søren sind großartige Leute und haben die Band mit Ihrer neuen Energie sozusagen wiederbelebt. Zehn Jahre sind mit viel Trauer und Wut vergangen, aber wir sind hartnäckig und können endlich das lang erwartete Album veröffentlich, und man kann mit Sicherheit sagen, dass wir aus diesen Fehlern der Vergangenheit gelernt haben!

Hardline: Wow – was für eine Story! Warum seid ihr so fasziniert von einer so dunklen Kreatur wie dem „Soul Creeper“

Shane: Die Hintergrundstory von unserem „Soul Creeper“ lautet wie folgt:

Die Geschichte des Soul Creepers begann, als Jesus am Kreuz hing. Aber in dieser Geschichte geht es um einen der Diebe, die neben Jesus hingen und weinten: “Wenn du der Sohn Gottes bist, dann bring uns von hier runter“. Dann starb Jesus und fuhr gen Himmel, aber unser lieber Freund der Dieb schloss sich dem Windschatten an und wurde im Nirgendwo gefangen. Jetzt ist er als Soul Creeper bekannt, der von anderen Seelen leben muss und bis in alle Ewigkeit gefangen ist. Er ist das alte Tier, das tief in der menschlichen Seele wohnt und das Geflüster, das uns an dunkle Orte bringt. „You are my mirror of reality; I am your window to creativity” („Du bist mein Spiegel der Realität, ich bin dein Fenster zur Kreativität“), Forever undone – Brain Bleeder

Hardline: Gibt es einen bestimmten Grund, warum das Album „Brain Bleeder“ heißt?

Shane: Unser zweites Album „Brain Bleeder“ enthält Geschichten über die Begegnung der Menschen mit „The Soul Creeper“ im Laufe der Geschichte. Wenn Du dem Intro genau zuhörst, hörst du einen Mann, der sein Kreuz aus einem Sklavenlager in das Kolosseum trägt, wo er gekreuzigt und in Brand gesteckt wird, während die Menge jubelt und wild wird. Die Songs auf diesem Album sind alle miteinander verbunden, als wäre es eine Geschichte, die von „The Soul Creeper“ erzählt wurde. Der Titeltrack „Brain Bleeder“ beschreibt die letzte stille Kommunikation zwischen einem Mann mit einer schweren Gehirnblutung und dem Soul Creeper, Seelenfrieden zum Preis einer Seele. In der Band haben wir alle persönlich schweren Zeiten durchgemacht und unsere Musik ist eine Möglichkeit für uns, mit den Schwierigkeiten umzugehen, mit denen wir täglich im Leben konfrontiert werden. Persönlich spiegeln meine Texte meinen Kampf mit Alkohol, Drogen und Selbstmordtendenzen wieder. Ich bin jetzt seit neun Jahren nüchtern und sauber, aber die Albträume, die diesem Lebensstil folgen, sind immer noch präsent und befeuern meine Texte.

Hardline Ihr habt das erste Video zu „God’s Pimp“ veröffentlicht ….

Shane: Wir haben großartige Reaktionen von Leuten erhalten, die uns kennen, sowie von neuen Zuhörern. Ich bin überrascht, dass niemand das groteske Thema des Liedes kommentiert hat – Die Skandale des Missbrauchs und der Belästigung in der katholischen Kirche. Unser erster Produzent wollte, dass wir die Songzeile „Sick Catholic“ zu „Painfull Conduct“ für den amerikanischen Markt zensieren, aber wir haben uns dafür entschieden, sie so beizubehalten. Aber es scheint nicht viel Aufsehen erregt zu haben – zumindest bis jetzt.

Hardline:  Das ist euer zweites Album, seid ihr nervös, was die Leute darüber denken werden?

Shane: Um ehrlich zu sein, fühlt es sich schon nach Erfolg an, dass das Album veröffentlicht wird. Und wir sind mehr als begeistert von den Rückmeldungen, die wir von anderen Menschen erhalten haben, da das Album für und die Geschichte unseres Problems ist. Es repräsentiert den Wiederstand, den wir überwinden mussten, indem wir hartnäckig geblieben sind und es durchgezogen. Manchmal schien es unmöglich, daher könnte man sagen, dass ich nicht wirklich nervös bin, weil es sich so anfühlt als hätten wir bereits gewonnen indem wir unsere Musik veröffentlichen.

Hardline: Es gibt immer eine Hand voll Menschen in der Umgebung einer Band, die das Privileg genießen, das Album oder einzelne Songs vor allen anderen zu hören. Wie war die Reaktion dieser Freunde und der Familie, die das Album schon gehört haben?

Shane: Besonders die Familie und Freunde waren während diesem langwierigen Prozess, welcher von schlecht bis schlechter reichte, bei uns. Sie haben es sich angehört, aber es hat auch einen Tribut gefordert. Während des Prozesses war es sogar schwer, über das Album zu reden, denn alles was wir über die Veröffentlichung sagen konnten war „ich weiß es nicht“. Als die Zeit gekommen war und wir die Songs 2018 fertiggestellt hatten, war es für unsere Freunde und Familie nicht von Interesse, das es wie eine Geschichte schien, die niemals enden würde. In den letzten Jahren bis heute waren es somit nur wir und gelegentlich Jacob Hansen (produzierte Alben von zum Beispiel Amaranthe, Volbeat, Pretty Maids), die das Album gehört haben. Bei Ihm sind wir froh, dass er in der Nähe wohnt, wir sind stolz, dass wir den fantastischen Hansen Studio-Sound haben. Er ist ein unfassbar kompetenter, talentierter und großartiger Kerl!

Hardline: Hast du einen Favoriten, einen Lieblingssong auf dem neuen Album?

Shane:  Nach der ganzen Tortur und der Mühe, das neue Album herauszubringen, schwingen die Songs immer noch in meinem Herzen mit. Es scheint, als würde ich je nach Gefühlszustand verschiedene Songs lieber mögen. Momentan hat mich der Titeltrack „Brain Bleeder“ voll und ganz.

Hardline: Müssen wir für ein nächstes Album wieder 10 Jahre warten?

Shane: Den Deal, den wir mit El Puerto für dieses Album unterschrieben haben, sieht vor, dass dieses Album „Brain Bleeder“ und weitere zwei Album innerhalb weniger Jahre nach jedem Album veröffentlicht wird. Deshalb planen wir, dieses Mal auf dem richtigen Weg zu bleiben

Hardline: Was sind die Pläne für das restliche Jahr?

Shane: Wir verhandeln gerate mit einer Booking Firma und Merchandise Herstellern um alles zum Laufen zu bekommen. Sobald wir Auftritte und Touren bestätigt bekommen, werden wir die Nachricht überall veröffentlichen und verbreiten!

Hardline: Eure Musik erinnert mich total an Disturbed, hat die Band um Sänger David Draiman musikalischen Einfluss auf euren Stil oder ist das nur meine subjektive Wahrnehmung?  

Shane: Unser erstes Album wurde als Kreuzung zwischen Metallica und Disturbed beschrieben, da sie eine große Inspiration für uns sind. Im Laufe der Zeit haben wir uns von anderen großartigen Bands wie Slipknot und Dream Theater beeinflussen lassen. Aber die Erfahrung hat unsere Sicht auf die Branche zynischer gemacht und unser musikalisches Bestreben war es, uns eher auf unseren Ausdruck als auf unsere Erwartungen zu konzentrieren, damit unsere Inspiration und Leidenschaft zum Vorschein kommt.

Hardline: Shane, ganz lieben Dank, für die investierte Zeit und vor allem für die ehrlichen Worte. Wir von Hardline wünschen euch in jedem Fall den größtmöglichen Erfolg und drücken beide Daumen!