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Großes Interview: Hollywood Undead – Trotz Menschenmassen auf dem Teppich geblieben

Gleich mit ihren ersten drei Studio-Alben (hier sei vor allem das Platinwerk „Swan Songs“ erwähnt) legten die US Nu-Metaller von Hollywood Undead einen Start nach Maß vor. Die 2005 in Kalifornien gegründete Band veröffentlichte danach vier weitere Longplayer, welche jedoch nicht mehr an die Erfolge aus den Anfangstagen herangekommen waren. Nun stehen die Zeichen wieder auf Sturm, seit Mitte August ist das neue Werk, getauft auf den Namen „Hotel Kalifornia“ zu erwerben. Über den neuen Silberling, wie auch über viele andere Themen, konnten wir uns mit Leadsänger und Multiinstrumentalist Jorel „J-Dog“ Decker unterhalten …

Hardline: Jorel – ganz lieben Dank, dass du dir kurz für unser Hardline Magazin Zeit genommen hast. Zuerst meinen Glückwunsch zu einem wiederholt starken Album, well done. Bevor wir zu „Hotel Kalifornia“ kommen, kurz zu dir. Geboren 1984, also Kind der neunziger Jahre und eigentlich des Grunge Rocks, welche Musik hast du früher gehört und stimmt die Geschichte, dass dich The Who zur Musik gebracht hat, hier im Wesentlichen der Bassist?

Jorel Decker: Hi Alex! Ich bin auf den Straßen von L. A. aufgewachsen, mit Rap-Music von Snoop Dog, Dr. Dee und Eazy E, die waren damals unsere Helden! Der Bassist von The Who war der Grund dafür, dass ich Live-Musik grandios finde. Meine Mutter kaufte sich Tickets für den Gig von The Who, ich war damals 14 Jahre alt und kannte sie nicht, bin aber mitgegangen. Und während des Auftritts gab es ein 10-minütiges Bass-Solo von John Entwistle, was mir beinahe den Boden unter den Füßen wegzog, es war der Hammer und hatte zur Folge, dass Bass das erste Instrument war, was ich erlernte.

HL: Du bist für mich ein Multiinstrumentalist, neben deinen Rapp-Passagen spielst du Gitarre, Bass, Keyboard/Synthesizer und Schlagzeug. Bei welchen Instrumenten hattest du Unterricht, welche hast du dir selbst beigebracht und welches Vorgehen würdest du den heutigen Kids empfehlen?

JD: Bei mir kam die Musik nie einfach so zu mir, ich musste mir immer alles erarbeiten. Den Kids von heute kann ich nur empfehlen, wenn ihr ein Instrument erlernen wollt, nehmt das, welches ihr wirklich liebt. Wenn ihr nach einiger Zeit feststellt, Gitarre ist nicht mein Ding, sondern lieber das Schlagzeug, wechselt zu den Drums. Nur, wenn ihr das Instrument liebt, werdet ihr es eines Tages beherrschen!

HL: Deiner Bio konnte ich entnehmen, dass gerade dein Vater dich beruflich woanders gesehen hat. Wie schwer war es, ihn davon zu überzeugen, dass du Musiker werden möchtest?

JD: Ich glaube, immer wenn ein Kind seinen Eltern den Wunschjob Musiker präsentiert, erntet es nicht wirklich Applaus, so war es eben auch bei mir nicht der Fall. Aber mein Gefühl sagte mir, dass ich tatsächlich nur auf diesem Planeten bin, um Musiker zu sein. Natürlich kann ich die Sorgen der Eltern verstehen, denn, wenn man ehrlich ist, klappt es zu 99% nicht, von der Musik zu leben.

Das neue Album „Hotel Kalifornia“

HL: Dann mit großen Schritten zum neuen Album „Hotel Kalifornia“, gleich zum Albumtitel und Cover, wessen Idee waren diese und welche Gedanken steckten dahinter, gerade mit dem Blick aufs Cover, wo ein Junge mit blutender Nase abgebildet ist? Ich persönlich hätte – gerade, wenn man Themen wie die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg im Hinterkopf hat, den Albumtitel „Chaos“ gewählt …

JD: Der Albumtitel war meine Idee, Premiere für mich, was diesen Punkt angeht. Aktuell geht es in der Welt gefühlt drunter und drüber, nicht nur bei den von dir angesprochenen Punkten, sondern auch hier in Amerika. Hier in Kalifornien ist es genauso, es erinnert mich an meine Kindheit, da gibt es Verbrechen, Obdachlosigkeit und viele andere Probleme mehr. Das Record-Label hätte es besser gefunden, nicht darüber zu sprechen, aber exakt DAS ist es, was ich sehe, wenn ich hier meine Wohnungstüre öffne. Auch das Cover war denen ein Dorn im Auge, aber ich fand es passend. Das Kind ist übrigens mein Neffe, fotografiert in der Straße, wo er mit der Familie meiner Schwester lebt, es ist auch nicht mit Photoshop bearbeitet, es ist real!

HL: Wie lange haben die Aufnahmen insgesamt gedauert und hat die Pandemie die Arbeiten am Album behindert?

JD: Da wir fast alle Home-Studios haben, hat uns die Pandemie nicht wirklich beeinträchtigt. Wir haben uns per Live-Stream gesehen, uns natürlich auch physisch getroffen, dieses Album ist wirklich recht problemlos entstanden.

HL: Mit insgesamt 14 Songs habt ihr den neuen Longplayer sehr ordentlich gefüllt, meine Highlights sind „Chaos“, „Alone At The Top“, das etwas ruhigere „Lion Eyes“, „Reclaim“, das überragende „City Of Dead“ und das abschließende „Alright“. Wie sieht es bei dir aus, hast du bei diesen vielen Songs eigene Favoriten?

JD: Ich liebe das komplette Album, aber natürlich hat jeder so seine eigenen Favoriten, meine sind „World War Me“, dann „Hourglass“ welches mich an meine Jugend erinnert. Aber dieses verändert sich mit der Zeit noch, es können später noch ganz andere hinzukommen …

HL: Welches eurer mittlerweile sechs bis sieben Alben symbolisiert Hollywood Undead aus Künstlersicht, nicht aus kommerzieller Sicht, am besten? Gibt es ein Album, wo du als Künstler sagen würdest: Hier hat alles gepasst?

JD: Viele werden dir die Antworten geben „Das Erste oder das Zweite“, ich selbst kann es definitiv nicht beantworten, denn alle sind aus meiner Sicht gut geworden, ansonsten hätten wir diese nicht veröffentlich. Aber wenn ich hier bei dir nicht ohne Antwort rauskomme, das Album „V“ ist aus meiner Sicht grandios geworden!

HL: Dann zum Thema Live, endlich geht es seit einigen Monaten wieder, Fans und Bands können wieder eine Einheit sein. Wie schwierig habt ihr die letzten 24 Monate erlebt?

JD: Es war extrem hart für mich, für uns. Live-Konzerte zu geben, ist mein Leben. Ich habe die Pandemie genutzt, extrem viel zu arbeiten, eventuell habe ich es in dieser Phase sogar übertrieben …

HL: Bei Rock am Ring 2018 habt ihr unter anderem „Enter Sandman“ von Metallica und „Du Hast“ von Rammstein gecovert, wessen Idee war dieser Zusammenschnitt und wie schwer war es, in Deutsch zu singen?

„Deutsch? Wahnsinnig schwierig!“!

JD: Für uns ist es wahnsinnig schwierig, in Deutsch zu interpretieren, was wir uns selbst beigebracht haben. Was auf der Bühne immer gut ankommt, sind definitiv schmutzige Sätze (lacht)

HL: Beim Konzert im März 2022 in Ohio habt ihr einen dreizehnjährigen Jungen auf die Bühne geholt, sind solche Aktionen komplett spontan oder geht man mit so einer Idee schon auf die Bühne?

JD: Das machen wir häufiger, allerdings sind wir da relativ kreativ, mal ein Kind wie in Ohio, mal machen wir ein Gitarren-Battle mit einem Zuschauer auf der Bühne und so weiter. Aber ich erinnere mich an das Kind, das hatte jede Menge Power, machte jede Menge Spaß!

HL: Gerade, wenn man sich noch einmal an Rock im Park oder Rock am Ring zurückerinnert, beschreibe doch einmal das Gefühl, wenn man als Künstler auf der Bühne steht und 80.000 Leute rasten zum Teil komplett aus, klatschen im Takt und singen die eigenen Songs mit … platzt man da nicht vor Stolz?

JD: Es fühlt sich nicht real an, wirklich. Wenn man bei Rock am Ring auf der Bühne steht und dann auf die Menschenmenge von 50.000 und mehr schaut, muss man sich schon manchmal kneifen, um das zu realisieren. Wir sind keine Band in der Größenordnung von Iron Maiden, Rammstein oder Metallica, die sich an diese Massen schon gewöhnt haben … Ich habe davon geträumt, seitdem ich Kind war.

HL: Wenn du nach einer Tour nach Hause kommst, wer holt dich wieder auf den Teppich? Wochenlang von den Menschen bejubelt und auf einmal ist da niemand, außer dass vielleicht der Müll rausgebracht werden muss oder die Küche aufgeräumt werden muss …

„wenn ich zu Hause bin, muss ich selbst einkaufen und sogar selbst bezahlen“

JD: Wenn man auf einer größeren Tour ist, muss man sich nicht selbst versorgen, wenn man dann zu Hause ist, muss man tatsächlich das Essen kaufen und darüber hinaus auch noch bezahlen (lacht). Und wenn mir dann meine Frau noch Aufgaben mitgibt, dann weiß ich, ich bin wieder zu Hause und nicht mehr auf Tour (lacht). Es hat bei mir also weniger mit dem Applaus der Fans zu tun als mit den normalen Tätigkeiten des Lebens, die mir während der Tour abgenommen werden.

HL: Letzte Frage, auf eurer Homepage konnte ich nur Tourtermine in den USA erkennen, ist es geplant, mit dem neuen Album zeitnah für Live-Gigs wieder nach Europa zu kommen?

JD: Definitiv ist es unser Wunsch, wieder nach Europa, nach Deutschland zu kommen. Wir müssen allerdings aktuell die Lage ein wenig beobachten, was passiert mit der Pandemie, was passiert im Ukraine Krieg. Aber es ist definitiv unser Plan, so rasch wie möglich bei euch zu spielen!

HL: Dann drücken wir mal die Daumen, dass alles zu einem guten Ende führt! Jorel – das war es von meiner Seite, noch einmal vielen Dank für deine investierte Zeit, viel Erfolg mit dem neuen Album, vor allem aber, bleib gesund!

Text: Alexander Stock

Foto-Credit by Jake Stark (Bikes+Masks)

Foto-Credit by Darren Craig (unmasked)