Interviews

EPICA – Dann halt eben digital

Während die Welt stillsteht, gibt es viele Bands und auch Veranstalter, die ihre Köpfe zum Rauchen gebracht hatten, um den Fans wenigstens Möglichkeiten zu bieten, in irgendeiner Form Live-Musik zu bekommen. In den Fokus rückten Konzepte wie Autokino- oder Strandkorb-Konzerte, aber auch Online-Streams. Und hier scheiden sich bei vielen die Geister. Der allgemeine Duktus: „Das ist nicht live, das schaue ich mir nicht an!“ Und bei manchen Dingen kann ich das auch verstehen. Denn viele haben es falsch gemacht, es reicht heutzutage halt nicht, einfach nur eine Webcam im Wohnzimmer oder im Proberaum aufzustellen. Das dachten sich auch Bands wie Nightwish, Within Temptation oder eben EPICA, die allesamt verschiedene Streaming-Konzepte ausprobiert haben. Epica haben die Situation auch genutzt, um ihr Konzert gleich als DVD/ Blu-ray wiederzuverwerten. Wir haben Sängerin SIMONE SIMONS deshalb zu ihren Erfahrungen befragt.

Simone Simons/ Photo credit by Tim Tronckoe

HARDLINE: Hallo Simone, im Juni habt ihr euer, wie ihr es genannt hattet, Universal Epica Streaming Event, online gestellt. Seid ihr zufrieden?

SIMONE SIMONS: Ja, zufrieden und erleichtert. Das war ein anstrengender Dreh und wir sind froh, dass es so funktioniert hatte. Gerade bei Streaming muss man auch immer die Technik mit einkalkulieren und hoffen, dass alles so klappt, wie man es möchte.

HL: Ja, das hat man leider bei Within Temptation ja mitbekommen, die ihren Stream wegen technischer Schwierigkeiten verschieben mussten.

SS: Ja genau. Das ist uns Gott sei Dank erspart geblieben. Das sind halt Dinge, auf die man achten muss, die man aber nicht kalkulieren kann.

HL: Ich hatte Within Temptation ja gerade erwähnt. Epica gehören ja, gemeinsam mit eben Within Temptation und Nightwish, seit Jahren zur absoluten Speerspitze des Symphonic Metal. Witzigerweise haben eben diese drei Bands relativ kurz hintereinander Konzertstreams veranstaltet. Alle drei hatten verschiedene Ansätze, aber der zeitliche Abstand lässt vermuten, dass diese Streams vielleicht abgesprochen waren.

SS: Nein, die waren nicht abgesprochen. Wir haben selbst erst durch deren Ankündigung davon erfahren, dass die beiden auch Streams planen. Der zeitliche Abstand ist also purer Zufall. Wir wollten unseren Stream sogar noch viel früher machen. Wir haben schon alles vorbereitet, mussten dann aber in letzter Minute alles verschieben. Das war natürlich blöd, aber ließ sich nicht ändern.

Photo credit by Tim Tronckoe

HL: Ab wann hattet ihr mit dem Gedanken gespielt, ein Konzert zu streamen?

SS: Es war ja schon sehr schnell klar, dass wir nicht auf Tour gehen konnten. Nun hatten wir mit „Omega“ ein neues Album draußen und konnten dies nicht live promoten. Dies war eine Situation, die neu für uns war. Und nicht nur für uns, sondern für alle Künstler. Im Normalfall ist es bisher normal gewesen, dass wir kurz nach dem Release eines Albums auf Tour gehen und dann die Songs live spielen. Wir mussten also neue Wege suchen. Und da kam uns die Idee mit dem Stream, weil man da einfach auch ein paar Dinge probieren kann. Was wir auf keinen Fall wollten war das typische Konzept: ‚Band steht auf der Bühne und spielt‘. Das gibt es tausendfach. Schaut euch nur einmal bei Instagram oder YouTube um. Wir wollten schon einen Eindruck hinterlassen, den Fans etwas Besonderes bieten. Also haben wir sehr viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt, vor allem auch unser Keyboarder Coen, der viele großartige Ideen mit eingebracht hatte. Die Fans wissen, dass wir immer Qualität abliefern, und so sollte das hier natürlich auch sein. Wir wissen natürlich, dass viele einem Stream skeptisch gegenüberstehen. Deswegen muss man sich besonders anstrengen, um die Fans zu überzeugen, sich das Konzert anzuschauen.

HL: Ich finde auch, dass dieser Stream die Messlatte enorm hochgelegt hat. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass euer Streaming-Event den Maßstab für kommende Streams gelegt hat.

SS: Oh, vielen Dank. Schön, dass sich die Mühen anscheinend gelohnt haben.

Photo credit by Tim Tronckoe

HL: Was ich bei euch großartig fand war, man hat gesehen, dass ihr richtig Bock hattet auf dieses Event. Man konnte die Spielfreude regelrecht spüren, während man bei den Kollegen von Nightwish stellenweise gemerkt hat, dass sie mit diesem Medium eher gefremdelt haben. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Spaß schon bei den Vorbereitungen zu merken war.

SS: So ein Event bietet ja unendlich viele Möglichkeiten. Eigentlich kann man bei so etwas sagen ‚The Sky is the Limit‘, also der Fantasie sind fast keine Grenzen gesetzt. Wir können bei so einem Stream Dinge machen, die wir bei einem normalen Konzert eben nicht können. Also zum Beispiel Bühnen- oder Kostümwechsel. Wir hatten beinahe endlose Möglichkeiten. Natürlich alles innerhalb eines bestimmten Budgets. Das Ganze hat schon einiges gekostet, aber wir konnten hier unseren Traum verwirklichen und mit unserem Regisseur Jens De Vos hatten wir den richtigen Mann am Start, der alles perfekt in Szene setzen konnte. Wir wollten ein besonderes Erlebnis schaffen. Wir haben versucht Kinoatmosphäre zu erzeugen. Also quasi Metal-Kino, wenn man es so sehen will.

HL: Viele Bands fremdeln mit dem Medium und lehnen es ab, weil sie halt sagen: ‚Das ist nicht live‘, womit sie ja recht haben. Wie seid ihr an die Sache herangegangen?

SS: Ja, das Publikum fehlt halt. Dessen ist man sich bewusst. Man muss an so eine Geschichte herangehen, wie als wenn man ein normales Musikvideo dreht. Im Grunde genommen ist dies nichts anderes. Ein extrem langes Musikvideo mit mehreren Songs, hahaha. Ja, die Interaktion mit dem Publikum fällt logischerweise weg, also kann man sich komplett auf die Performance konzentrieren. Man muss halt etwas mehr Gas geben und nicht daran denken, dass da tausend Kameras um dich herumstehen. Was eine Live-Show ja ausmacht ist das Publikum, das einen anfeuert. Das fehlt und das ist natürlich schade. Also mussten wir uns gegenseitig anfeuern.

Photo credit by Tim Tronckoe

HL: Du hattest ja erwähnt, dass ihr viel Zeit in die Vorbereitungen gesteckt hattet. Wie lange genau dauerten die Vorbereitungen?

SS: Wie lange kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall Monate. Wir waren eigentlich im Dezember schon bereit. Da wollten wir das als Weihnachtsevent über die Bühne bringen. Aber auch hier hat uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Also haben wir es verschoben und mussten aber auch da zittern, ob alles funktioniert. Denn einen Tag, bevor wir nach Belgien gereist sind, wo der Dreh war, haben sie die die Corona-Regeln dort geändert. Wir waren noch in Holland und haben geprobt und haben natürlich die Nachrichten verfolgt. Aber wir hatten Glück gehabt, dass wir fahren konnten.

HL: Ihr habt es dann letztendlich nach Belgien geschafft, wie du gerade sagtest. Nach monatelangen Vorbereitungen mit tausenden von Ideen. Wie lange hat der Dreh an sich gedauert?

SS: Der Dreh hat schon ein paar Tage gedauert. Das bekommst du nicht an einem Tag hin, gerade, weil wir ja diverse Bühnenwechsel hatten.

Photo credit by  Jonas Demeulemeester

HL: Wie war dann am Ende das Feedback der Fans?

SS: Das Feedback war mega. O-Mega, um das hier noch einzubauen, hahaha. Ja, das war krass, damit haben wir nicht gerechnet. Viele Fans haben geschrieben, dass sie das Event fünfmal geschaut hatten. Und viele haben uns gebeten, dieses Event doch im Nachgang als DVD oder Blu-ray zu veröffentlichen. Und dann hatten wir darüber nachgedacht und festgestellt, dass dies wirklich eine gute Idee ist. Dann käme das im Dezember und kann gut als Weihnachtsgeschenk genutzt werden.  

HL: Hast du in der Corona-Zeit auch selbst Streams verfolgt oder ging das an dir vorbei bis dahin?

SS: Ich habe einen Stream geschaut, um ehrlich zu sein. Meine gute Freundin Anneke van Giersbergen hat ein Konzert gestreamt. Das ist natürlich nicht zu vergleichen mit den ganzen Metal-Konzerten. Sie hat eine sehr großartige, intime Wohnzimmersession gemacht. Und Freunde unterstützt man natürlich. Andere Streams habe ich aber nicht geschaut. Ich wollte mich auf unser eigenes Event konzentrieren.

HL: Wenn du jetzt zurückblickst auf deine Erfahrung mit diesem Stream, sagst du dann, es bleibt eine einmalige Sache oder habt ihr schon Lust, weitere Streams zu machen. Ich erinnere dich da gerne an das von dir erwähnte Motto ‚The Sky is the Limit‘.

SS: Ich sage erst einmal so: Sag niemals nie. Wir haben viel investiert und unsere Bühne aufgerüstet. Da sind zum Beispiel die Schlangen. Das sind Elemente, die wir natürlich benutzen wollen. Und wir wissen, dass dies bei Konzerten oder Festivals nicht immer möglich ist, weil da die Kapazitäten oft begrenzt sind. Warum also nicht?

Photo credit by  Jonas Demeulemeester

HL: Ihr hattet jetzt in diesem Jahr das große Glück, doch noch live aufzutreten. Ihr hattet unter anderem beim Area 53 Festival in Österreich und beim Alcatraz Festival in Belgien gespielt. Nach so einer langen Zeit ohne Konzerte, wie war es für euch vor richtigem Publikum ohne Auflagen spielen zu können?

SS: Es hat sich angefühlt wie im Traum, um ehrlich zu sein. Es war ein wenig surreal. Wir waren alle ein wenig nervös. Uns gingen so banale Fragen durch den Kopf wie: ‚Können wir das noch?‘, ‚Kennen wir die Texte?‘, ‚Kennen wir die Abläufe?‘ Ich war vor dem Auftritt extrem angespannt, weil ich dachte, dass ich ein wenig eingerostet bin. Aber, wenn man dann am Ende vor dem Publikum steht und die Begeisterung spürt, kommt alles wieder. Bei unserem Gig in Österreich war auch ein wenig Wehmut dabei, weil wir diesen Auftritt ohne unseren Keyboarder Coen absolvieren mussten, weil jemand in seiner Familie an Corona erkrankt war. Aber wir haben das Beste aus der Situation gemacht.

HL: Wir hoffen, dass es so positiv weitergeht, freuen uns aber vorweg schonmal auf eure „Omega Alive“-Blu-ray. Mit der kann man die Gig freie Zeit zumindest gut überbrücken.

SS: Ja, das ist eine gute Möglichkeit. Wir freuen uns, euch bald alle wieder vor der Bühne zu sehen und hoffen, dass euch „Omega Alive“ gefällt. Bleibt gesund, wir sehen uns.

www.epica.nl

Text: Pat St. James

Front-Pic by Tim Tronckoe

EPICA – The SKELETON KEY – (ΩMEGA ALIVE) (OFFICIAL VIDEO) – YouTube