Interviews

Level Fields: Deutschland – Amerika …und ein entgleister Zug.

Nachdem bereits 2015 ein Demo veröffentlicht wurde, habe die Musiker, zu gleichen Teilen aus der BRD und aus den USA kommen jetzt das Album mit dem Titel „1104“ am Start. Die Kombi aus Rock und Prog machte und neugierig und daher stellten wir Marco Ahrens einige Fragen…

Hardline: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Debüt! Wie fühlt es sich an, das Ding jetzt fertig zu haben?
Marco Ahrens: Das fühlt sich sehr gut an. Hätte mir das jemand vor 10 Jahren gesagt, hätte ich das wohl nicht für möglich gehalten. Alles fing ja damit an, dass ich nur einen Song hatte und dachte Tecchio müsste ihn singen. Dass daraus einmal eine ganze CD wird, ist für mich ein wahrgewordener Traum.
HL: 2015 habt ihr bereits ein Demo veröffentlicht; wie waren die Reaktionen darauf?
MA: Die Presse hat darauf sehr positiv reagiert. Auch viele Metal-Fans waren der Sache sehr aufgeschlossen gegenüber, hatten allerdings Probleme mit digitalen Downloads. Da nun endlich eine CD da ist, kann jeder ohne Reue zugreifen.
HL: Wie zufrieden seid ihr mit dem Resultat eurer Arbeit?
MA: Ich bin wirklich sehr zufrieden. Besser geht immer, das ist wohl bei jedem Musiker so. Ein paar Dinge würde ich heute anders aufnehmen. Andererseits dokumentiert die CD die lange Reise bis zur Fertigstellung des Albums. Das erste Lied war „Enough“, das letzte „Extra 1104“. Dazwischen liegen viele Soundexperimente. Wer seine Ohren spitzt, wird das sicherlich heraushören. Wir haben versucht, für jeden Song den passenden Sound und Mix zu finden.
HL: Wie läuft es so privat? …immerhin ist diese Band ja 50% Amerika, 50% BRD – sieht man da seine Lieben noch häufig genug?
MA: Nicht weniger als vorher, auch wenn ich gerne mal für eine Probe nach New Jersey fliegen würde, übersteigt das wohl das Budget. (lacht). So verrückt wie es klingt, aber wir musizieren ausschließlich über das Netz. Clint habe ich noch nie leibhaftig getroffen und Alan immerhin einmal beim Keep It True, als er dort mit Heathen’s Rage aufgetreten ist. Nur wenn ich mich in’s Musikzimmer zurückziehe, um an neuen Songs zu arbeiten, das Booklet zu gestalten, Facebook-Promo zu machen, Interviews zu beantworten, mit Alan zu schreiben, mit der Plattenfirma zu kommunizieren und……..ähm. So gesehen muss die Familie doch ein wenig mehr auf mich verzichten. Das liegt allerdings nicht daran, dass die eine Hälfte der Band aus Amerikanern besteht.
HL: Deine Mitstreiter sind Alan Tecchio, Clint Arent und Andreas Tegeler. Kannst du kurz erwähnen, woher diese Namen schon etwas bekannt sind?
MA: Bekannt wurde Alan durch Hades, deren ersten zwei Alben im Underground hohes Ansehen genießen. Nicht weniger geschätzt und geachtet ist seine Arbeit für Watchtower, wo er Jason McMaster ablöste. In Deutschland etwas weniger beachtet sind Non Fiction, von denen ich ein riesiger Fan bin. Ich wollte immer der Leadgitarrist bei Non Fiction sein, damals in den 90ern. Außerdem verleiht Alan seine Talente an viele weitere Projekte. Mike LePond’s Silent Assassins zum Beispiel. In der Vergangenheit Seven Witches und Autumn Hour. Clint dürfte den meisten Metal Fans durch seine Zusammenarbeit mit Alan bei Autumn Hour bekannt sein. Sie haben leider nur eine CD veröffentlicht. Als ich erwähnte, dass wir auf Dauer einen „echten Bassisten“ benötigten, holte Alan sofort Clint ins Boot. Mit Andreas „Theo“ Tegeler spiele ich seit 1991 bei Poverty’s No Crime zusammen. Wir haben mittlerweile 7 CDs auf dem Markt und als es darum ging, einen Schlagzeuger in die Band zu holen war von Anfang an klar, wer das sein würde.
HL: Wie hat sich diese Band gefunden, wo habt ihr euch kennengelernt?
MA: Das ist eigentlich eine ganz lustige Geschichte. Ich hatte einen Song, der ein wenig in die NonFiction-Richtung ging (heute „Enough“) und meiner Meinung nach nicht ganz zu PNC passte. Als ich eines Abends mit meinem Bruder und einem Freund eine Kneipentour machte, erwähnte ich diesen Song und sagte, dass Tecchio ihn singen müsse. Ich selber war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei Facebook. Mein Bruder allerdings schon, und nach einigen Bieren sagte er: ‚Du brauchst Tecchio? Ich besorg dir Tecchio! Ist mein Facebook-Kumpel.‘ Ich rief: ‚Mehr als ‚NEIN‘ sagen kann er nicht!‘ So kam eins zum anderen. Mein Bruder knüpfte den Kontakt, wir tauschten Ideen aus und ratzfatz war nach 5 Jahren ein Album fertig. (lacht)
HL: Stimmt die Chemie bei euch, arbeitet ihr gerne zusammen?
MA: Absolut. Die Zusammenarbeit mit Alan und Clint könnte nicht entspannter sein und Theo kenne ich ja schon eine Ewigkeit. Wir respektieren uns alle, pflegen einen freundlichen Umgang und sind ehrlich miteinander. Räumliche Distanz kann auch Vorteile haben. Da man erst alles aufschreiben muss, was man so kommunizieren möchte, macht man sich natürlich mehr Gedanken und haut nicht gleich alles raus.
HL: Wie würdest du eure Musik beschreiben, welche Elemente finden sich darin wieder?
MA: In erster Linie ist es Metal. Und von Rock und Metal in all seinen Spielarten bin ich auch beeinflusst. Das geht von AC/DC bis Black Sabbath. Von Fates Warning bis Slayer. Von Monster Magnet bis Opeth. Aber auch nicht so offensichtliche Sachen wie Nick Cave inspirieren mich. Bei der Orgel im Intro von Disowned zum Beispiel habe ich mich von Nick Caves Album „Let Love In“ beeinflussen lassen. Alan ist ein großer „The Cure“ und New Wave Fan. All das findet in irgendeiner Form den Weg in unsere Musik.
HL: Der progressive Anteil an den Songs ist hoch, seht ihr euch als eine progressive Band?
MA: Keine Ahnung, ehrlich! Im Sinne einer sich verändernden und nach allen Seiten offenen Band sicherlich ja. Wir schreiben, was uns gefällt. Das kann mal thrashy, mal doomy, mal heavy sein. Oder auch mal progy.
HL: Würdest du dieses Album als einen Spiegel deiner bisherigen musikalischen Laufbahn bezeichnen?
MA: Das kann man so sagen. Ein Riff auf dem Album ist sogar schon rund 28 Jahre alt. Ich sauge viel auf und verarbeite es auf meine Weise. Alles, was mich geprägt hat, fließt auch irgendwie in die Musik. Dem kann man sich gar nicht entziehen.
HL: In diesem Zusammenhang finde ich es immer spannend zu hören, was da zu Hause für Musik läuft…
MA: Ich würde mal sagen von Michael Holm bis Exodus ist alles vertreten. Besonders gerne mag ich aber Rainbow mit Dio, die Soloalben von Bruce Dickinson, Fates Warning, AC/DC mit Bon Scott, Nick Cave, The Tea Party und KING’S X!!!
HL: Das Album trägt den Titel „1104“. Was darf ich mir darunter vorstellen?
MA: Das ist die Nummer eines Zuges (Extra 1104), der im Jahre 1925 einige Deutsch-Amerikaner, die ihre Heimat in Deutschland besuchen wollten, beförderte. Der Zug verunglückte und viele kamen ums Leben. Das alles geschah in Rockport, New Jersy. Ganz in der Nähe von Alans Wohnort. Der Hergang wird im Song „Extra 1104“ geschildert. Dazu gibt es sogar einen Dokumentarfilm, der im Netz zu sehen ist.
HL: Hab ihr ein festes Textkonzept, greifen Themen ineinander über?
MA: Es gibt kein festes Textkonzept, die CD heißt „Eleven-O-Four“, weil uns das Thema irgendwie verbindet, die transatlantische Note sozusagen. Es ist natürlich keine erfreuliche Geschichte, aber wir versuchen auch, an dieses Unglück zu erinnern. Die Gestaltung des Booklets basiert ebenso darauf. Ansonsten hat jedes Lied sein eigenes Thema. Alan schreibt alle Texte, in denen er alles verarbeitet, was ihn bewegt oder interessiert. Von Marc Marquez, dem Motorradfahrer über Familienangelegenheiten bis zum Antirassismus.
HL: Gibt es unter den acht Titeln des Debüts so etwas wie einen Favoriten? Kannst du den Fans einen Titel besonders an Herz legen?
MA: (lacht) Alle natürlich! Was sollte ich anderes sagen? ‚Lied Nummer drei ist Müll, das würde ich mir gar nicht erst anhören?‘ (lacht schallend) Aber ernsthaft. „Enough“ ist das erste Lied, damit fing alles an. „Disowned“ liebe ich für seine Gesangsmelodie. „Get Over It“ ist etwas Besonderes und dann selbstverständlich „1104“.
HL: Wie ist die Zusammenarbeit mit Pure Steel Records entstanden?
MA: Andreas Lorenz hat mich vor längerer Zeit kontaktiert. Dann haben wir uns ein wenig aus den Augen verloren. Als abzusehen war, dass das Album dann doch bald fertig wird, habe ich mich bei ihm gemeldet. An Pure Steel mag ich den familiären Charakter. Als wir damals von PNC den Vertrag mit Noise unterschrieben haben und Karl Walterbach trafen, war klar, dass er von uns kein Lied gehört hatte. Ich will gar nicht nachtreten, so ist das wohl in einer großen Firma. Aber Andreas ist Feuer und Flamme für die Musik. Ein Fan und Musikliebhaber, der einfach begeistert ist von der Sache. Das gefällt mir. Ich muss mit der Musik kein Geld verdienen und das ist ein großer Vorteil. Wir können nämlich machen, was wir wollen. Wenn am Ende Geld übrigbliebe, wäre das sicherlich schön. Von dem Gedanken habe ich mich aber schon lange verabschiedet.

HL: Musik gehört ja bekanntlich nicht nur auf einen Silberling, sondern auch auf die Bühne… Habt ihr bereits Live-Erfahrung?
MA: Nicht mit Level Fields, aber mit unseren anderen Bands natürlich schon. Alan wird mit Hades, Watchtower und Non-Fiction bestimmt die halbe Welt bereist haben und mit Poverty’s No Crime haben Theo und ich auch schon einiges erlebt. Clint spielt in diversen Bands und hat vor Ort Auftritte.
HL: Sind denn Gigs geplant?
MA: Bis jetzt noch nicht. Leider liegt der Atlantik dazwischen. Sollte es da ansprechende Angebote geben, wären wir alle nicht abgeneigt. Das Keep It True wäre sicherlich eine schöne Gelegenheit…
HL: Wie wird es nach der Promotion des Albums weitergehen?
MA: Wir arbeiten an neuen Songs. Da das erfahrungsgemäß etwas Zeit beansprucht, kann es also noch etwas dauern, bis ein zweites Album kommt. Da sich das Verhalten der Musikkonsumenten ja gerade in eine etwas seltsame Richtung entwickelt, müssen wir abwarten, was passiert. Musik soll möglichst kostenlos sein. Dass wir aber eine Menge Zeit, Geld und Herzblut investiert haben, sieht der Endverbraucher nicht immer. Trotzdem macht uns das aber immer noch so viel Spaß, dass wir auf jeden Fall weitermachen werden.

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Text: Matthias Kühlmann