Interviews

Unser großes Interview mit BABYMETAL – Zwischen Skepsis und Triumph

Es gibt Bands, die spalten. Und es gibt BABYMETAL. Als 2010 drei junge Japanerinnen in Rüstungen aus Glitzer, Lack und Leder mit synchronen Choreografien und Blastbeats auf der Bildfläche erschienen, schien die Metal-Welt kollektiv die Stirn zu runzeln. Kawaii trifft Doublebass? Süßholz inmitten von Growls und Gitarrenwänden? Für viele ein absoluter Stilbruch, ein Sakrileg – und ganz sicher nicht „echter“ Metal. Doch wer glaubte, es hier nur mit einer kurzlebigen Internet-Erscheinung zu tun zu haben, wurde in den folgenden Jahren eines Besseren belehrt. Pünktlich zum fünfzehnten Jubiläum haben wir Suzuka Nakamoto (Su-Metal), Moa Kikuchi (Moametal) und Momoko Okazaki (Momometal) zum Gespräch gebeten.

Fünfzehn Jahre später ist BABYMETAL nicht nur ein globales Phänomen, sondern ein Beweis dafür, dass Grenzen in der Musik nur existieren, um eingerissen zu werden. Hinter den auf den Punkt inszenierten Shows steckt knallhartes Training, ein klares Konzept – und der unerschütterliche Wille, das eigene Ding zu machen. Seitdem springt die Band von einem Highlight zum nächsten. „Für mich ist das definitiv das Sonisphere Festival 2015 in England gewesen“, verrät uns Su-Metal. „Als unser Name im Line-up auftauchte, gab es heftige Reaktionen – viele Metalheads hielten uns nicht für ‚real‘ genug. Auf der Bühne standen 50.000 Leute mit kalten, prüfenden Blicken. Nach und nach kippte die Stimmung. Am Ende hatten wir das Gefühl: Sie haben uns akzeptiert.“


Und für viele Besucher der Show stand danach fest: Dieser halbstündige Auftritt war mehr als nur eine Show – es war ein Statement. Derzeit bereitet sich die Band auf ihr bisher größtes Konzert außerhalb Japans vor – die O2 Arena in London. Mit erwarteten 20.000 Menschen ist die Show längst ausverkauft. „Nach 15 Jahren können wir uns endlich selbst gratulieren“, sagt Moametal, während sie zwischen Tourstopps weiter trainieren und das Arena-Set perfektionieren. Es ist nicht nur eine Premiere für die Band, sondern ein Stück japanische Musikgeschichte: Noch nie stand eine japanische Band auf dieser Bühne als Headliner. Und mit dem neuen Album „Metal Forth“ gehen Babymetal einen Schritt weiter. Beyond Metal nennen sie das Konzept – und meinen damit nicht weniger als ein Grenzsprengen mit Ansage. Kollaborationen mit Größen wie Tom Morello, Spiritbox, Electric Callboy oder Slaughter to Prevail zeigen, wie breit die Band inzwischen aufgestellt ist. Und selbst Legenden wie Judas Priest oder Slayer zeigten sich in der Vergangenheit beeindruckt von der Band. Trotz der Experimente bleibt der Sound unverkennbar. Moametal erklärt: „Verfeinerung und Niedlichkeit sind Eigenschaften, die wir uns bewusst bewahren. Egal wie wild ein Song wird – das Fundament bleibt.“ Ein Paradebeispiel hierfür ist der Song ‚White Flame‘ – ein melodisches Speed-Metal-Brett mit epischem Intro, funkelnden Synth-Einwürfen und einem Mitsing-Refrain, der live garantiert für Gänsehaut sorgt. Su-Metal beschreibt ihn als Hymne auf die Brillanz der Sonne – und als Song, der die Zuhörer erfrischt und antreibt, als würde er Hindernisse wegfegen. Babymetal agieren längst nicht mehr nur als Band, sondern als globales Projekt. Mit BABYMETAL WORLD LLC und einem Deal bei Capitol Records wurde die Basis für den nächsten Expansionsschritt gelegt. „Wir spüren, wie unsere Fanbase weltweit wächst“, erklärt uns Su-Metal. „Um diesem Rückhalt gerecht zu werden, mussten wir unsere Strukturen stärken. Das Ziel ist, Babymetal noch weiter hinaus in die Welt zu tragen.“
Für die Zukunft hat die Band eine klare Vision: Metal zugänglicher machen, ohne ihn zu verwässern. „Wenn wir helfen können, die Hürde zum Metal zu senken, wäre das großartig“, sagt Moametal. Damit könnten sie nicht nur neue Hörer erreichen, sondern auch die nächste Generation inspirieren – und zeigen, dass Selbstvertrauen und Offenheit keine Gegensätze sind. Auf die Frage, was nach Album und Tour folgt, gibt es nur die typische, kryptische Antwort: „Only The FOX GOD Knows!“

Doch eines ist sicher: Babymetal sind keine Eintagsfliege mehr, sondern ein Dauerbrenner, der sich immer wieder neu erfindet. Sie haben die Regeln gebrochen, ohne das Herz des Metal zu verlieren – und werden wohl auch in den nächsten fünfzehn Jahren dafür sorgen, dass sich die Szene immer wieder fragen muss, was „echt“ eigentlich bedeutet.

www.babymetal.com

Text: Pat St. James